Emparamol Shorts. Flash Fiction nach O.E. Butler und K.S. Robinson

Image of a pack of hyperempathy-inducing drugs, as hallucinated by an AI

Ist Science Fiction Empowerment oder Eskapismus? Wozu überhaupt noch Zukunft in Zeiten multipler globaler Krisen? Als Emparamol Shorts veröffentliche ich vier Kurzgeschichten von Eskwe, Johanna Maria Gläßer, Livia Beier und Niklas Becker, die 2022/2023 im Rahmen meines Seminars ‚Writing Urban Futures‘ an der TU Dresden entstanden sind. Die Autor:innen hatten zur Aufgabe, ein Kapitel aus K.S. Robinsons CliFi-Roman The Ministry for the Future in einer eigenen Kurzgeschichte fortzuschreiben. Als transformatives narratives Moment führten sie die Figur der Hyperempathie aus Octavia E. brachialem SF-Klassiker Parable of the Sower ein. Ist Butlers Protagonistin Lauren Oya Olamina diese paranormale Fähigkeit angeboren, so kommt sie in den Kurzgeschichten in Tablettenform: Der Konsum von Emparamol, eines fiktiven, weltweit frei verfügbaren Psychopharmazeutikums, erzeugt einen temporären Zustand der Hyperempathie. Die Wirkung ist empathogen (‚mitfühlend‘) und entaktogen (‚das Innere gerührend‘). Hart an der scheinbaren Grenze zwischen Utopie und Dystopie hat die Emparamol-Konsumentin so direkten Anteil an Emotionen und Affekten ihrer Umgebung, wobei die Substanz je nach Dosierung auf einem Spektrum räumlicher Maßstäbe von lokal bis planetar wirkt. Die Anwenderin entscheidet mithin selbst über die Ausdehnung des temporären intersubjektiven Raums – ob sie sich also Schmerz, Wut und Freude der sie unmittelbar umgebenden Menschen oder weltweit aussetzt. Indem die Kurzgeschichten die erfahrungserweiternde Wirkung dieser fiktionalen Substanz in Robinsons Erzählung einweben, loten sie aus, inwiefern Hyperempathie notwendige Bedingung wäre, um angemessen auf die Dringlichkeiten der globalen Klimakatastrophe zu reagieren. Entgegen der vorherrschenden Entfremdung geht es um Organizing, kollektive Fürsorge, die Öffnung neuer, Normalitäten durchbrechender Denk- und Handlungsspielräume. Die Emparamol Shorts werfen so Fragen nach Grenzüberschreitung, Verletzlichkeit, Schuld und Rache, Verantwortung, Care und Anerkennung auf.

Schwarz, A. (ed.): Emparamol Shorts. Dresden, 2023. Download .pdf

  • Literatur:
  • brown, a.m. & Imarisha, W. (eds.) (2015) Octavia’s Brood. Science Fiction Stories from Social Justice Movements. Chico: AK Press.
  • Butler, O.E. (1993) Parable of the Sower. New York: Four Walls Eight Windows.
  • Evans, R. (2019) Hyperempathy. In: Schneider-Mayerson, M./Bellamy, B.R. (eds.) An Ecotopian Lexicon. Minneapolis: University of Minnesota Press, pp. 110-121.
  • Le Guin, U.K. (2015) Steering the Craft. A Twenty-First-Century Guide to Sailing the Sea of Story. Boston/New York: Mariner Books.
  • Le Guin, U.K. (2020) The Carrier Bag Theory of Fiction. Introduced by Donna Haraway. Berlin: Ignota Books.
  • Nuwer, R. (2023) I Feel Love. MDMA and the Quest for Connection in a Fractured World. London: Bloomsbury.
  • Price, M. (2014) The Bodymind Problem and the Possibilities of Pain. Hypatia 30(1): 268-284.
  • Robinson, K.S. (2020) The Ministry for the Future. London: Orbit.